16. Mai 2024
Nahtkrähe (Corvus saumicus)
Die Nahtkrähe, dieser fein glänzende schwarze Gesell, durchstochert in geraden Linien die Ackerfurche auf der nimmermüden Suche nach dem Fadenwurme. Kurze Exemplare der gefundenen Beute, die nicht länger sind als der Vogel von Schnabel bis Schwanzspitze, werden ohne viel Aufhebens verschluckt, aber manchmal erwischt die Krähe auch ein besonders langes Exemplar ihrer bevorzugten Kalorienquelle.
Dies wird allerdings nicht einer enzymatischen Umarbeitung in Krähenmoleküle unterzogen, sondern im Gegenteil sehr vorsichtig behandelt.
Die Nahtkrähe wickelt das bis zu 200 Meter messende Langtier kunstvoll und ohne es zu beschädigen, auf einen stets zu diesem Behufe mitgeführten Spulwurm auf.
Diesen besonders langen Fadenwurm gibt es – ebenso wie den zum Verzehr genutzten kurzen – in verschiedenen Farben.
Besonders in badischen Gebieten, wo Chemische Industrie und Anilin-Farbenwerke ihren Standort haben, kann man bisweilen Exemplare in strahlenden Neontönen und in modischen Farbkombinationen bewundern.
Nahtkrähen zeigen zwar keine Vorliebe für die besonders bunten Exemplare ihres Beutespektrums, tendieren aber dazu, nach Stillen ihres Hungers möglichst viele längere Fadenwürmer verschiedener Farbtöne und Schattierungen zu sammeln und aufzuspulen.
Sie lagern die erstellten Bündel in ausgekratzten Erdmulden, um sofort wieder auf die Suche zu gehen und ihrem Sammeltrieb so lange beharrlich nachzukommen, bis man aus den ganzen Röllchen ein Rechteck bilden kann.
Was auch die Nahtkrähe damit dann anstellt – und die Röllchen stundenlang in verschiedensten Farbreihen zusammenstellt und stetig umsortiert, bis sie von dem selbstvergessenen Spiel wieder genug Hunger bekommen hat, um nach kurzen Beutetieren Ausschau halten zu gehen.
Während dessen rollen sich die elend langen Fadenwürmer gemächlich wieder ab und verschwinden jeder für sich in einem Loch, und damit könnte der ganze Spaß von vorne losgehen…
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Musik im Vor- und Abspann (ab Folge 60):