QBE: Vogel der Woche – Die Martinsgans

16. November 2023

Heute: Die Martinsgans, Anser boerp

Es war einmal, in einer Welt voller Federvieh, eine Spezies, die ihren Namen mit solcher Allgegenwart teilt, dass selbst der gewöhnlichste Spaziergänger sich verwundert die Frage stellte: „Warum zum Federvieh heißen so viele Gänse eigentlich Martin?“

Die Geschichte der Martinsgans beginnt in einem Zeitalter, in dem die Namensgebung eher einem Spiel ähnelte als einer tiefgründigen Überlegung. Einst, so erzählt man sich, saß eine Gruppe von Gänseeltern um ein knisterndes Lagerfeuer. Der Patriarch der Gänsefamilie, Gänserich Gansbert von Gänsenhausen, rief, inmitten seiner Geschwister, „Wir sollten unsere werten Küken mit einem Namen ehren, der Großartigkeit und Würde verkörpert!“ Und da kam es, dass er ebenso spontan wie unüberlegt vorschlug, sie alle nach dem damals sehr angesagten Martin, einem stattlichen und eindrucksvollen Vogel, zu benennen.

Und so geschah es. Der Ruf nach dem Namen „Martin“ erklang, und bevor einer der Gänselinge auch nur piepen konnte, waren sie mit eben diesem Namen belegt. Ein Name, der seitdem wie Gänsefutter herumgereicht wurde, als ob er nichts weiter als ein modisches Accessoire wäre.

Und doch, als die Gänse heranwuchsen, fanden sie sich inmitten einer gigantischen Schar von Martinsgänsen wieder. Ein Gedanke schlich sich in ihre Federn: „Warum bloß tragen wir alle denselben Namen? Gibt es vielleicht einen geheimen Martin, dem all diese Gänse ihre Namensgebung verdanken?“

Und so entstand eine Legende. Eine Sage von einem sagenumwobenen Martin, der einst als die „Gans aller Gänse“ galt, ein heiliger Vogel, dessen Name für Wohlstand, Freude und eine nie endende Quelle von Gänsestreichen stand. Man munkelte, dieser geheimnisvolle Martin hätte einst die Gänse in einem glorreichen Fest versammelt und sie beehrt, indem er ihnen einen gemeinsamen Namen schenkte – den Namen Martin.

Die Gänse verehrten diesen mythischen Martin so sehr, dass sie seinem Namen Tribut zollten, um seine Gunst und Schutz zu erlangen. Ob es jedoch nur eine uralte Ganslegende oder ein wahrer Mythos war, bleibt bis heute unklar.

Doch wie das Schicksal es manchmal so will, neigte sich das Ende der Martinsgans herbei. Nachdem sie eine Epoche lang unter dem Namen Martin existiert hatte, wurde sie schließlich von einer Gruppe hungriger und unwissender Menschen eingefangen. Sie planten ein prächtiges Festmahl und beschlossen, dass die Martinsgans mit all ihrer symbolischen Bedeutung die Hauptattraktion sein sollte.

Und so, in einem Akt unvermeidlichen Ironie, endete die Geschichte der Martinsgans nicht in einer großen Ehrung, sondern auf einem Teller, umgeben von knusprigen Beilagen und lachenden Gästen, die sich darüber amüsierten, dass die berühmte Gans namens Martin nun das Mittagessen bildete.

Und wenn man dem Ganzen eine moralische Note verleihen möchte, könnte man sagen, dass die Gans – wie so viele Ikonen vor ihr – letztlich dem Schicksal erlag, das sie zu einer Legende machte. Oder aber, sie genoss ein kurzes, aber intensives Stelldichein mit Ruhm und Gaumenfreuden, bevor sie in den Annalen der Humorvögel verschwand.

Wissenschaftler haben eine Verwandtschaft zu ihrer Schwester, der Weihnachtsgans (Anser ruelps) nachweisen können.


Moderation:

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Gregor Börner


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Musik im Vor- und Abspann (ab Folge 60):

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