15. August 2024
Die Feinstaube (Columba mykroparticlissima)
Der kleine Tierpräparator saugt das Wissen darum, dass Tauben stauben wie blöde, ja schon mit der Muttermilch ein. Das haben die Tauben übrigens mit einigen anderen Vogelarten wie den Papageien und Hühnern gemein, die es lieber mit der mittelalterlichen als der üblichen Körperreinigungsmethode halten: Sie wissen schon, nach dem Motto: „An meinen Body lass ich nur Puderdunen, aber auf gar keinen Fall Seife und Wasser“.
Trotzdem haben die Tauben es von allen Vogelordnungen übertrieben, als sie die Feinstaube hervorbrachten. Puderdunenevolution auf die Spitze getrieben. So was kann sich wirklich nur die Ordnung der Columbiformes, der Taubenförmigen, ausdenken.
So eine Feinstaube staubt nicht nur beim Putzen und beim Gegen-die-Fensterscheibe-Fliegen, sondern sie staubt auch beim Atmen, sie staubt beim Fliegen, und bei der Nahrungsaufnahme staubt sie.
Beim Klecksen übrigens auch. Andere Tauben bröckeln dabei höchstens ein bisschen, aber die Feinstaube staubt, dass es um sie herum eine Wolke aus feinsten Partikeln bildet. Sie muss sich zum Stauben nicht mal bewegen, wenn sie lange genug an einer Stelle gesessen und zum Beispiel geschlafen hat, ist sie am nächsten Morgen wie eingeschneit, und schaufelt sich beim Erwachen enthusiastisch hustend – nein, sie schaufelt kein Loch, denn sobald sie hustet, verteilt sich der Feinstaubenstaub in einer Art Explosion sofort über mehrere hundert Kubikmeter Luft –, die Feinstaube hüstelt noch mal, kleckst und staubt, und fliegt dann mikropartikelnd auf eigener Schwinge davon, dem Mittagessen entgegen.
Feinstauben gibt es in verschiedenen Farben, die Staub-Ausbeute der schwarzen Variante wird gerne mit Laserdrucker-Toner verwechselt oder mit Dieselruß, und die graue Variante gemahnt an einen Staubsaugerbeutelinhalt. Die gelblich bis bräunlich gefärbte Staubvariante wird unglaublich gerne mit Pollenflug verwechselt, und nein, es ist doch alles Feinstaubenstaub. Und ja, irgendwo haben die, die das vermuten mit den Pollen und dem Dieselruß, auch irgendwo recht, denn: Schwarze Feinstauben versammeln sich zum Essenfassen in den Copyhöllen der Städte, graue Exemplare delektieren sich an Vorwerk und Vampyrette, und die naturverbundeneren Farbschläge picken Pollen.
Interessant ist die Mauser der Feinstaube, denn sie erfolgt nicht. Oder sagen wir es anders herum: sie erfolgt ständig, alles was am Gefieder der Feinstaube zu Feinstaub zerschilfert, wird in einer Art Dauerwachstum der Federn wieder wett gemacht. Genauso wie der Nagezahn der Ratte dauernd nachwächst, so benimmt sich die Befiederung der Feinstaube. Vorne abnutzen und hinten anbauen.
Früher, da waren Feinstauben Kuriosa in zoologischen Gruselkabinetten, denn selbst bei brutalster Vergifterei des Balges mit Arsen und hermetischer Versiegelung des Präparates in einem Glaskasten hörten ihre Gefieder auch nach dem Tode nicht auf zu zerfallen. Da nach dem Tode das Gefieder aber logischerweise nicht mehr nachwächst, passierten halt komische Sachen.
Man schob das Kahlwerden natürlich immer auf Motten und auf Milben, wenn plötzlich so ein Nackedei, linksguckend auf Ast mit Bauchnaht, der Gattung Columba zur unappetitlichsten Zierde gereichte.
Und just solche Sammlungsexponate, die sich die Ehre der Blöße gaben, wurden dann natürlich umgehend entfernt.
Aus diesem Grunde wurde die Feinstaube auch erst in diesem Jahr von dem Umweltforscher Luftmessamt als eigene Art beschrieben. Luftmessamt war misstrauisch geworden, als er in den Partikelfiltern seiner Luftmess-Stationen immer Taubeneier vorfand, die sich da offenbar von alleine bildeten. Er nahm einige dieser Objekte mit nach Hause, brütete sie selbst aus und sah sich ziemlich unvermittelt der Quelle allen Feinstaubes gegenüber, den er zu sammeln gedachte. Luftmessamt wiederbelebte mit seinen Feinstaubenversuchen auch die mittelalterliche Theorie der sogenannten Urzeugung aus Schlamm und Dreck, und wagte sogar Mutmaßungen über domestizierte Feinstauben, die mittelalterlichen Fein-Perückenstauben. Aufgrund einer persönlichen Feinstaub-Allergie musste er seine bahnbrechenden Forschungen allerdings abbrechen; heute forscht Luftmessamt an Staubmäusen.
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Musik im Vor- und Abspann (ab Folge 60):