QBE: Das Weißsternige Baukehlchen

15. August 2024

Das Weißsternige Baukehlchen (Albosylvia picturata)

Dieser Vogel wird in in ornithologischen Fachkreisen auch der Fassadenkleckerer genannt.

Er verbringt seine Tage zusammen mit einem Eimer Farbe auf hohen wackligen Gerüsten, flötet unspektakuläre Zoten der 1970er und 1980er Jahre, wie zum Beispiel

  • „Schmidtchen Schleicher“,
  • „Nippel durch die Lasche“,
  • „Spaghetti Polonaise“,
  • „Bolognese Blankenese“ und
  • „Majonäse Epigenese“

nach,

und würde sicherlich allgemein in der Bedeutungslosigkeit und dem Hintergrundrauschen urbanen Lebens verschwinden, wenn er nicht die Eigenschaft hätte, mit diesem Farbeimer und einem dazu gedachten Anstreicherwerkzeug auch zu hantieren.

So ergeht stetig ein Regen aus weißen Tröpfchen auf unter dem Gerüst lustwandelnde Baustellentouristen, der gelegentlich auch mal als kompletter Eimer herunterkommt, nämlich immer dann wenn das weißsternige Baukehlchen den Versuch unternimmt, auf die Zwanzigerschachtel „Malertod Premiumpils“ Zugriff zu nehmen, welche strategisch geschickt hinter dem 10-Liter-Gebinde mit der Farbe platziert ist.

Nun darf sich allerdings keiner mehr beschweren, der koppheister eine neue Ganzkörperbemalung erhält, denn das weißsternige Baukehlchen hat an seinem Gerüst ein

*Schild*

befestigt, auf dem in großer Schrift steht, dass aktuell Malerarbeiten in der Höhe stattfinden und Gefahr durch Erdanziehung besteht.

Das Schild ist zusätzlich barrierefrei mit Noppenschrift versehen und hängt in einer Höhe, die auch für Pudel und halbliegend fortbewegte Personen wie Cabriofahrer gut abzulesen ist.

Auf dem Schild ist zur weiteren Verdeutlichung des Konfliktpotenzials zwischen weißsternigem Baukehlchen und Schwerkraft ein Pfeil angebracht, der zeigt, welche Richtung mit „in der Höhe“ gemeint ist.

Auf diese Weise gelingen dem Vogel spektakuläre Volltreffer, ungefähr einer auf sieben zugegriffene Flaschen „Malertod Premium“.

Denn die Baustellentouristen benehmen sich, als würden sie geradezu magnetisch von dem Warnschild angezogen!

Sie sind verblüfft, dass das *Schild* immer blitzblank ist, obwohl alles im Unkreis von bis zu zehn Metern um das Gerüst weiß gesprenkelt oder sogar in Farbe ertrunken ist.

Und dann wollen die Leute nur noch eins:

*sie müssen einfach dieses prächtige Schild berühren und sein Geheimnis herausfinden.*

Dabei könnten sie sich des Rätsels Lösung längst denken, denn wirklich jeder Haushalt hatte seit dem Start der US-Raumfähre Columbia mal so eine teflon-beschichtete Bratpfanne, an der alles abperlt.

So weit reicht aber die mentale Transfer-Leistung heutiger Menschen nicht mehr;

irgend eine alltägliche Beobachtung in die wundervolle Außenwelt hinein zu transferieren hat ja auch mit dem selbstgesetzten Ziel der Lust-Wandelei nichts zu tun.

Und es könnte ja außerdem auch was Unwahrscheinlicheres angenommen werden, Ergebnisse der Kraftfeld-Ufologie vielleicht.

Hast du die Anziehung nicht auch gespürt?

Na also.

KLATSCH, Schild berührt, Eimerflug, neues Standbild in Weiß. – Leises Fluchen vom Gerüst herunter.

Also schnell zurück zu unserem Hauptdarsteller, dem weißsternigen Baukehlchen.

Es hat dieses Schild nicht aus Bosheit aufgestellt, es ärgert sich tatsächlich schon genug darüber, dass es pro ergriffener Pulle „Malertod Premium“ einen Ersatzeimer Farbe aufs Gerüst hinauf schaffen muss.

Das bedeutet:

  • runterfliegen,
  • neuen Eimer an die Seilwinde klinken,
  • wieder rauf fliegen,
  • hochkurbeln.

Dabei steht der weiße Pudel oder liegt der weiße Cabriofahrer auch schon mal im Weg. Aber wenigstens kein Gemecker mehr.

Damals, ohne das Schild, traf nur jeder 30. Eimer, aber die generelle Streiterei mit begossenen Cabriofahrern und Pudeln wegen ungesicherter Baustellen war nervenraubend.

Für so was hat das weißsternige Baukehlchen einfach keine Zeit.

Denn wer gestresst ist, lässt noch viel mehr Farbeimer runterfallen als sowieso schon.

Was das heißt, deutete dieser Text schon an:

  • runterfliegen,
  • neuen Eimer anklinken,
  • rauffliegen,
  • hochkurbeln.

Nur halt noch öfter, und ohne Pulle.

Das Teflon-Schild hat das weißsternige Baukehlchen im Otter-Katalog entdeckt und sofort bestellt, wegen der Sicherheit, Sie verstehen.

Seitdem ist Ruhe unterm Gerüst, selbst bei Volltreffer.


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Lukas Nümm
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HikE Worth
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Musik im Vor- und Abspann (ab Folge 60):

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